Die olympischen Spiele stehen vor der Tür. Pandemie hin oder her, die Spiele werden stattfinden, trotz erheblicher Bedenken. Längst ist die Zeit vorbei, als der Medaillenspiegel auch Aufschluss darüber geben sollte, welches politische System das Bessere ist. Doch das war lange Zeit anders. Besonders die 60er, 70er und 80er Jahre waren vom sportlichen Kampf Ost gegen West geprägt. Auch die Spiele 1988 in Seoul standen nach den „Boykottspielen“ in Moskau 1980 und in Los Angeles 1984 unter diesen Vorzeichen.
Was hat der Ausgang des olympischen Basketballturniers 1988 in Seoul mit Trier zu tun? Seit Jahren beherrschte der Dreikampf zwischen den USA, Jugoslawien und der Sowjetunion das internationale Basketballgeschehen. Wie fast immer ging die Mannschaft der USA als Goldmedaillenfavorit in das Turnier, schließlich hatte sie seit 1936 fünfzehn Goldmedaillen in dieser Sportart gewonnen. Daher sollte eine weitere auch 1988 in Südkorea folgen. Und tatsächlich: Erstmals seit 12 Jahren kam es im Halbfinale wieder zum entscheidenden Aufeinandertreffen der Teams aus den USA und der Sowjetunion. Es endete sensationell: Die Sowjetunion siegte gegen den scheinbar übermächtigen Gegner, in dessen Mannschaft neben der NBA-Legende David Robinson zahlreiche spätere NBA-Spieler mitwirkten. Zum Team der UdSSR gehörten unter anderen Ritas Kurtinaitis und auf der Centerposition Alexander Belostennyi. Das Endspiel gewann die Sowjetrussen dann gegen Jugoslawien und seinem Star Drazen Petrovic mit 76:63.
Und jetzt zu Trier. „Wir konnten es einfach nicht glauben, als dieser 2,14 m große Goldmedaillengewinner und Weltmeister 1991 in unsere Trainingshalle kam““, erzählt Rainer Loch, damals Spieler des Trierer Basketball-Bundesligisten, über die erste Begegnung mit Alexander Belostennyi. Sascha, wie ihn seine Mannschaftskollegen nannten, ging 1990 nach dem Zerfall der Sowjetunion nach Saragossa, ehe er nach Trier wechselte. Er hatte in Spanien einen Einjahresvertrag und sollte jetzt nach Paris oder nach Athen. „Auf der Fahrt über Paris in Richtung Athen kamen wir durch Deutschland“, erzählt Belostennyis Sohn Michael: „Ich möchte am liebsten nach Deutschland“, hatte Belostennysi Ehefrau Larissa damals zu ihrem Mann gesagt. Die Transferperiode war gerade zu Ende – und wer sollte das Gehalt eines Goldmedaillengewinners zahlen können? Doch Ehefrau Larissa ließ nicht locker. Belostennyis Agent hatte von Aufsteiger Trier gehört, bei dem eine Ausländerposition frei war. So kam es zu einem Treffen Belostennyis mit Wolfgang Kram, zu der Zeit für die finanziellen Belange des Trierer Bundesligisten zuständig. Trier konnte bei weitem die Gehaltsvorstellungen nicht erfüllen, doch ein Angebot für die Zeit nach dem Basketball machen: „Pächter und Wirt des Ratskellers am Trierer Hauptmarkt.“ Das überzeugte.
„Er war ein ganz toller Typ“, urteilt Patrick Börder, Aufbauspieler des Trierer Bundesligisten. „Ein Star ohne Allüren, der in allen Hallen der Basketball-Bundesliga stürmisch begrüßt wurde.“ So blieb Sascha auch nach dem Ende seiner aktiven Karriere der Moselstadt treu. 2010 starb er an den Folgen einer Krebserkrankung. „Ohne ihn wäre die Entwicklung, die unser Sport genommen hat, nicht möglich gewesen“, urteilte James Marsh, „das ist sein Verdienst. Noch mehr werden wir ihn aber als Mensch vermissen.“
Sein Sohn Michael ist in Trier heimisch geworden und dem Basketball mit Unterbrechungen treu geblieben. Er konnte nicht ganz in die großen sportlichen Fußstapfen seines Vaters treten. Nachdem er in verschiedenen Jugendmannschaften in Trier gespielt hatte, wechselte er in die USA. Den zwei Jahren an der einer Highschool in Houston, Texas folgten vier Jahre in einem College in Alabama. „Mir hat der unbedingte Ehrgeiz gefehlt und die Körpergröße von 2,06 Metern alleine reicht nicht aus“, gibt Michael zu. „In meinen vierten College-Jahr habe ich meinen Schwerpunkt auf den Abschluss gelegt und damit meine Basketball-Karriere eigentlich beendet.“ Aber die Freude am Spiel hat der 40-jährige Vater von Zwillingen jetzt wieder gefunden. Er spielt in der Bezirksligamannschaft und in der Ü-40 der MJC Trier. Auch seine Mutter Larissa ist Trier treu geblieben und betreibt weiterhin den Ratskeller. „Es war die Beharrlichkeit meiner Mutter, die uns nach Trier gebracht hat“, schaut Michael am Ende unseres Gesprächs zurück. „Es war die richtige Entscheidung!“
Da sich auch die deutsche Basketball Nationalmannschaft für die kommende Woche startenden olympischen Spiele in Japan qualifiziert hat, ließ es sich Michael nicht nehmen, den männlichen U12, U14 und U16 Teams der MJC in den Trainingseinheiten die Goldmedaille seines Vaters sowie weitere Erinnerungsstücke der olympischen Spiele von 1988 zu zeigen. Die Jungs durften ihm alle Fragen, die ihnen unter den Nägeln brannten, stellen und sich die Goldmedaille um den Hals legen.